Der David Lynch der Fotografie: Gregory Crewdson in der Albertina

Ungreifbare Stimmungen, surreale Sujets. Was zeigt Gregory Crewdson in seinen Bildern? Sieht man einen Unfall? Ist es ein Tatort? Er selbst löst seine Bilder nie auf. Der Betrachter ist gezwungen, seine eigene Geschichte zu erfinden.

Mehr Fotos von der Ausstellung finden sich hier. Die Führung einer Kunstvermittlerin der Albertina war ausgesprochen spannend und hinderte mich, noch mehr in meinen Eventfotografie-Modus zu verfallen.

Die großformatigen Arbeiten enthalten viele Details, die sich erst beim genauen Hinsehen erschließen - und dann weitere Fragen aufwerfen. Die Elemente unterstützen das Hauptmotiv - oder konterkarieren es und hinterlassen beim Betrachter Fragezeichen.

Oft sind Menschen abgebildet - aber sie wirken seltsam distanziert, interagieren nicht miteinander. Dennoch geht von ihnen keine Bedrohung aus.

Steven Spielberg und David Lynch gehören zu seinen Vorbildern. Und auch sonst finden sich viele Verweise auf populäre Arbeiten aus dem Malerei, Foto- und Filmbereich (beispielsweise kommt einem auch des öfteren Edward Hopper in den Sinn…). Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang die raffinierte Art der Beleuchtung - jedes Objekt wird einzeln genau so ausgeleuchtet, wie Crewdson es wünscht - die dadurch entstehenden Räume und Tiefen machen Eindruck. Eine genaue Betrachtung offenbart, dass die Lichtverhältnisse so in der Realität nicht gewesen sein konnten - aber nie wirken sie künstlich oder unecht.

Besonders beeindruckend: Gregory Crewdson arbeitet mit riesigen Sets und bis zu 100 Mitarbeitern für ein einziges Foto. Dabei kann man gar nicht von einem einzigen Foto" sprechen, sondern seine Arbeiten bestehen aus vielen Einzelaufnahmen, in denen alles von vorne bis hinten scharf ist - ein gewaltiger Effekt, wenn man davor steht! In seinen Fotografien setzt er immer auf zeitlose Ästhetik, zum Beispiel klassische Oldtimer aus den 60er und 70er Jahren, die für den American Dream stehen. Dadurch werden seine Bilder universell und kommen nie aus der Mode.

Zugegeben, die Werke von Gregory Crewdson sind sozusagen das Gegenteil vom “decisive moment” von Henri Cartier-Bresson. Eine geradezu unglaubliche Detailverliebtheit und ein Perfektionismus ergeben Fotografien, die beklemmend, einsam und melancholisch wirken. Man sieht gescheiterte Existenzen und Menschen, die darüber grübeln, wie das Leben verlaufen wäre, wenn damals nicht …

Von mir gibt es jedenfalls eine schwere Empfehlung meinerseits für diese Ausstellung!

Mehr Fotos von der Ausstellung finden sich hier.

Gregory Crewdson Retrospektive in der Albertina

Bis 8. September 2024