Back to the analogue roots - Ausstellung "Seventeen Sisters"
Natürlich liegt die analoge Fotografie im Trend. Die Preise für alte Kameras und vor allem Filme steigen und steigen. Viele wollen auf den hippen Zug aufspringen und laufen mit Point-and-Shoot-Filmkameras aus den 80er und 90er Jahren herum.
Blickt man hinter die Fassade der neu erwachten Liebe zum analogen “Look” von Farbfilmen wie Kodak Gold oder Portra, so zeigt sich vielleicht doch eine tiefere Sehnsucht nach Bildern, die man in den Händen halten kann, die durchaus teuer in der Entwicklung und Vergrößerung sind und die nur 12 bis 36 Aufnahmen pro Film erlauben.
Seventeen Sisters
Reinhard Prenn, Mitglied des Teams der FINE ART Galerie & Musik in Traismauer, selbst begeisterter Sammler von analogen Kameramodellen, hatte die Idee, verschiedene Fotografinnen und Fotografen mit Teilen seiner Sammlung zu beauftragen, fotografische Projekte zu realisieren. Die Ergebnisse wurden in der Ausstellung “Seventeen Sisters” in der Galerie gezeigt. Dabei werden nicht nur die entstandenen Fotografien gezeigt, sondern auch die Kameras, mit denen die Werke aufgenommen wurden. Ein begleitender Text zur historischen Einordnung der Kamera und die persönlichen Eindrücke und Erlebnisse der Fotograf*innen mit den alten Wunderwerken der Technik ermöglichen ein tieferes Verständnis der analogen Fotografie, als es eine Filmsimulation auf dem Handy jemals könnte.
Nachbarn, Treffpunkt und Lichtquelle im Speckgürtel
Ich selbst habe für das Projekt einige Filme mit einer Pentacon Six TL aufgenommen. Die Kamera ähnelt vom Aufbau her einer Spiegelreflexkamera, ist aber durch das Mittelformat wesentlich größer und schwerer. Reinhard Prenn stellte mir neben der Kamera eine Vielzahl hochwertiger Objektive von Zeiss, Makroringe und alternative Sucher zur Verfügung.
Die Kamera
Die bis 1990 produzierte Pentacon SIX TL ist eine solide (um nicht zu sagen massive) Mittelformatkamera in der Konstruktionsweise einer Kleinbild Spiegel-reflexkamera. Objektive von hervorragender optischer Qualität von Carl Zeiss Jena und Meyer Optik Görlitz standen zur Verfügung und wurden mit dem nach ihr benannten P6 - Objektivanschluss ausgestattet. Dieser Anschluss wurde auch von den in der Ukraine produzierten Kiev-Kameras übernommen, was das verfügbare Objektivsortiment deutlich erweiterte.
Das satte Auslösegeräusch (eine Kombination aus KLACK, KLONG und SCHMATZ) erfreut das Ohr des Anwenders auf besondere Weise. Die Frage „Habe ich jetzt schon ausgelöst?“ stellt sich bei der Pentacon NIE. Mit dem Ende der DDR fand auch die Produktion dieser und zahlreicher anderer Kameras, wie der auch im Westen sehr verbreiteten Praktika, ein baldiges Ende. Damit versiegten auch die Billigproduktionsstätten, von denen westliche Kameraanbieter (z.B. Quelle) jahr-zehntelang profitierten.
Das Projekt
Es klang vielversprechend: eine analoge Mittelformatkamera mit viel Zubehör und mehreren Wechselobjektiven - sogar von Zeiss. Als Fotograf, der vor allem mit der Digitalfotografie groß geworden ist, wollte ich diese Kamera unbedingt ausprobieren. Die Kamera wirkt optisch wie eine Kleinbild-Spiegelreflexkamera, nur viel größer. Trotz des beachtlichen Gewichts liegt sie gut in der Hand. Wer beim Einlegen des Films aufpasst, den belohnt die Kamera mit detailreichen, scharfen Bildern, die so gut wie keine Vignettierung aufweisen.
Die Pentacon Six TL ist eine rein manuelle Kamera. Die Belichtungsmessung muss also manuell erfolgen. Lustigerweise habe ich das mit einer App auf meinem Smartphone gemacht ... Schöne neue Welt! Alternativ trainiert man sein Auge ... aber so weit bin ich noch nicht.
Nur beim Lichtschachtsucher wurden wir keine Freunde. Meine ersten Filmrollen habe ich mit Architekturaufnahmen gemacht. Doch trotz langem Hin und Her mit Stativ, Getriebeneiger und Lupeneinsatz gelang mir kein gerade ausgerichtetes Foto. Irgendwie kam ich mit dem gedrehten und gespiegelten Bild im Sucher nicht klar. Gott sei Dank befand sich im umfangreichen Zubehörset noch ein TTL-Sucher mit dem ich dann die Fotos so komponieren konnte, wie ich es wollte.
Seit 2-3 Jahren fotografiere ich wieder vermehrt analog. Das entschleunigt natürlich, weil man sich vor dem Auslösen Gedanken macht: Ist das Motiv wirklich ein Foto wert? Oft löse ich dann nicht aus. Ein Konzept und bewusstes Fotografieren sind empfehlenswert. Es war schön zu sehen, wie ein einige Jahrzehnte altes Gerät noch tadellos funktioniert und den Weg von der digitalen Beliebigkeit hin zu Unikaten und bewussten Erlebnissen weist.
Die Ausstellung
die Ausstellung zeigte Werke von:
Stefan Sappert, Martin Gansrigler, Lothar Rübelt, Leo Kandl, Dario Mitidieri, Lou Stoumen, Thomas Gobauer, Martin Lutz, Reinhard Prenn, Michael Seirer ;), Martin Skopal, Karin Svadlenak-Gomez, Jutta Fischel, and Bernhard Schneider.
Öffnungszeiten
Samstag 29. April und Sonntag 30. April 14:00 – 18:00, danach noch bis 11. Juni nach Vereinbarung.
Digital-Analog-Analog-Digital?
Als zweites Projekt habe ich für die Ausstellung eine SD-Karte fotografiert. Bei der Ausarbeitung für die Ausstellung habe ich dann mehrere analoge und digitale Prozesse angewandt und vier verschiedene Versionen erstellt. Diese Ansicht erwartet den Besucher gleich zu Beginn der Ausstellung:
Die spannende Frage für die Besucher war nun: Welche Version wurde wie hergestellt und welche ist die “schönste”? Zum einen konnte kaum jemand diese Fragen “richtig” beantworten, zum anderen gingen die Meinungen über die “schönste” Version weit auseinander und jede der vier Varianten bekam von einzelnen Besuchern das Prädikat “das schönste Foto”. Und genau das sollte schlußendlich auch gezeigt werden: Es gibt nicht das ”beste” Foto und auch nicht die “beste” Technik dafür. Sinnvoller ist es, sich die Bilder in Ruhe anzuschauen und selbst zu entscheiden, was einem gefällt und auch mal auf seinen Bauch zu hören.