Der bekannte Unbekannte - Edvard Munch. Im Dialog. Ausstellung in der Albertina Wien
Fällt der Name Edvard Munch kommt einem wohl sofort das Bild "Der Schrei" in den Sinn. Diese rätselhafte Gestalt mit voll Angst aufgerissenem Mund und Augen ähnelt einem Totenkopf und die umgebende Natur scheint den Schrei weiter zu intensivieren. Und doch ist eben genau dieses ikonenhafte Werk nicht in der aktuellen Ausstellung "Edvard Munch. Im Dialog" in der Albertina zu sehen.
Das Konzept der Ausstellung
Kurator Dieter Buchhart (er war schon für die 2003 gezeigte Ausstellung zuständig) gestaltete zusammen mit der Kuratorin für Gegenwartskunst der Albertina, Antonia Hoerschelmann, die Ausstellung. Ihr Konzept dreht sich um den immensen Einfluss von Munch auf die Kunst unserer Zeit und zeigt, wie er die Kunstgeschichte radikal verändert hat.
In den ersten vier Räumen der Ausstellung sieht man die Entwicklung von frühen impressionistischen Werken bis zu den bedrückenden späten Arbeiten, in denen er sich selbst alleine des nächtens zeigt (er hat immerhin alle seine Nachkommen überlebt).
Vertiefung und Weiterentwicklung im Dialog
Danach treten sieben bedeutende KünstlerInnen der Gegenwart mit ihm in Dialog: Georg Baselitz, Andy Warhol, Miriam Cahn, Peter Doig, Marlene Dumas, Tracey Emin und Jasper Johns. Die gezeigten Werkgruppen wurden zum Teil von den KünstlerInnen selbst ausgesucht. Dabei inspirierte Munch auf vielfältigste Weise: Andy Warhol wählte nach einem Ausstellungsbesuch vier Ikonen von Munch (Der "Schrei", Die "Madonna", "Eva Mudocci" und das "Selbstportrait mit Knochenarm") aus und bildete sie auf seine Weise nach. Peter Doig wiederrum interessiert sich für den Farbauftrag in Munchs Gemälden: Munch hat ja im Freien bei klirrender Kälte gearbeitet und die Werke danach der Witterung ausgesetzt (Schnee, Regen, Sonne). Die Natur (und auch der Zufall) wurde damit in den Schaffensprozess integriert - ein Unding für die damalige Zeit. Für RestauratorInnen ist dies ein unglaublich grausames Vorgehen ;) Die Natur aber sollte das Werk nicht zerstören, sondern eine weitere Schicht (in Bedeutung und physikalisch) hinzufügen.
Munch wagte sich nicht nur in der Malerei mit neuartiger Farbenwelt, Pigmenten oder Strichführung auf neues Terrain, er war auch in der Druckgrafik innovativ. So arbeitete er viel mit Holz und baute die Maserung in die Komposition ein. Jasper Johns, Künstler der Pop-Art, erschuf eine Serie von Druckgrafiken angelehnt an eine Bettdecke in einem Selbstbildnis von Munch.
Im Dialog heißt dabei natürlich nicht, dass die sieben ausgewählten Künstler Munch kopieren - im Gegenteil: Sie nehmen die Stimmungen und Richtungen auf, entwickeln sei weiter und machen sie sich zu eigen.
Weit über “Der Schrei” hinaus
Die Frühjahrsausstellung 2022 - "Edvard Munch. Im Dialog" zeigt über 60 Werke des norwegischen Künstlers und damit in Beziehung tretende Arbeiten von sieben bedeutenden KünstlerInnen der Gegenwart. "Der Schrei" von Munch selbst ist nicht dabei, er wird einem bei dieser Ausstellung allerdings nicht fehlen. Zu viele spannende Inspirationen, Weiterentwicklungen und visuelle und inhaltliche Verbindungen finden sich in den ausgestellten Arbeiten.
Die Ausstellung ist von 18. Februar bis 19. Juni 2022 zu sehen.
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